Zur Geschichte des Friedhofs

Friedhofskapelle im Stil der Neorenaissance aus dem Jahr 1902.

Der Ebershaldenfriedhof wurde 1843 eingeweiht.

Foto: Ch. Reimers

 

Mythos Vogel und Tod

 

Seit vorgeschichtlicher Zeit gibt es zwischen dem Tod des Menschen und dem Vogel eine mythische Verbindung. Den Glauben an Seelenvögel gab es in vielen Kulturen: Die Seele entwich dem Mund des Sterbenden in Vogelgestalt. In alten deutschen Sagen verlässt die Seele des Gerechten den Körper als weiße Taube, des Verdammten als Rabe. Der Mythos schloss die Friedhöfe mit ein. Besonders der Rabe, ein Aasfresser, galt von jeher als Tier des Kirchhofs. Die zweifelhafte Ehre, Totenvögel zu sein, hatten neben den Rabenvögeln die Eulen, aber auch die Tauben, der Kiebitz, der Kuckuck und der Sperling, gelegentlich sogar die Schwalben. Die Vögel auf dem Totenacker waren den Menschen unheimlich; man bekämpfte sie oder ging ihnen bestenfalls aus dem Wege.

 

 

Kolkrabe.  Zur Nahrung der Rabenvögel gehört auch (tierisches und menschliches) Aas - sie waren in früheren Jahrhunderten auf den Schlachtfeldern und Galgenhügeln zu finden. Das brachte ihnen den Ruf der Galgen- und Totenvögel ein. 

Foto: NABU / Claus Hektor

 

 

 

Waldkauz. Die nächtliche Lebensweise verhalf ihm wie den meisten Eulenarten zum Ruf eines Todesvogels. Außerdem brannte in den den Krankenstuben oft nachts noch Licht, das die Eulen anlockte. Ihr Auftauchen vor dem beleuchteten Fenster wurde als Hinweis auf den baldigen Tod des Kranken gedeutet. Der Ruf "Kjuwitt!" des Waldkauzes wurde mit "Komm mit!" übersetzt, eine Aufforderung an den Sterbenden, ihm ins Totenreich zu folgen. 

Foto: NABU / Dietmar Nill

 

 

Vom baumlosen "Gottesacker" zum parkähnlichen Erholungsraum

 

Ende des 18. / Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Friedhöfe in der Stadt aufgegeben. Man fürchtete Gesundheitsgefahren für die Bewohner der Stadt. Statt dessen wurden große Zentralfriedhöfe außerhalb der Stadtmauern angelegt, zunächst noch wie gewohnt als baumlose, wiesenartige Gottesäcker.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts erhielten die Zentralfriedhöfe jedoch einen garten- oder parkähnlichen Charakter mit Bäumen und Hecken, Rank- und Buschwerk. Ein schönes Beispiel für diesen Friedhofstyp ist der Ebershaldenfriedhof (1843 eröffnet, erste Bestattung am 2. April 1844). Damit war es vielen Vogelarten erst möglich, auf dem Friedhof zu siedeln.

 

Erst jetzt entdeckte man den Friedhof als Erholungsraum und den Unterhaltungswert seines "reichhaltigen Vogellebens", wie ein unbekannter Verfasser eines Artikels in der Eßlinger Zeitung vom 20. Juli 1921 schreibt. Er hielt sich offensichtlich gern stundenlang auf dem Ebershaldenfriedhof auf und wusste aus Erfahrung, dass Friedhöfe sich besonders gut zur Vogelbeobachtung eignen. Über die dort beobachteten Goldhähnchen schreibt er: Sie "waren so wenig scheu, dass sie beim raschen Fluge... ganz dicht an dem Zuschauer vorbeiflogen..." Die Vögel auf dem Friedhof sind an die Besucher gewöhnt; ihre Fluchtdistanz ist geringer als die ihrer Artgenossen in Wald und Flur. Dies gilt  jedoch in erster Linie für den unauffälligen Einzelbeobachter, nicht für große Gruppen bei den vogelkundlichen Führungen des NABU im Frühjahr. Jeder Vogel schwirrt schleunigst ab, wenn zwei Dutzend Ferngläser auf ihn gerichtet sind.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sommergoldhähnchen

Foto: NABU / Tom Dove

 

 

Der Ebershaldenfriedhof umfasste damals nur den unteren Teil vom Haupteingang bis zur Kapelle. Dort standen bis Weihnachten 1999 besonders viele Fichten, die bald nach der Eröffnung des Friedhofs gepflanzt wurden – für Girlitz, Tannen- und Haubenmeise und für Winter- und Sommer-Goldhähnchen ein attraktiver Lebensraum.

 

 

Der untere Teil des Friedhofs 1993: viele alte Fichten

Foto: Ch. Reimers

 

Seit dem Sturm "Lothar" (Weihnachten 1999), bei dem mehr als 30 Fichten umstürzten, hat sich der Charakter des alten unteren Teils wesentlich verändert: Danach wurden hauptsächlich Laubbäume gepflanzt. Der stark verdichtete, lehmige Boden im alten Friedhofsteil eignet sich nicht für Fichten; sie bilden flache Teller-wurzeln aus und sind leichte Beute für Stürme.

 

 

Der untere Teil des Friedhofs im Herbst 2017. Laubbäume haben die umgestürzten Fichten ersetzt.

Foto: Ch. Reimers

 

Der untere alte Friedhofsteil wirkt heute viel heller und lichter. Einige der alten Fichten stehen noch. Für die Höhlenbrüter finden sich allerdings jetzt nicht mehr so viele geeignete Bäume für Nistkästen - die neu gepflanzten Bäume haben noch nicht die erforderliche Höhe - und der Bruterfolg in den vorhandenen Kästen ist deutlich geringer als im oberen Teil des Friedhofs.

 

 

Feld 1 (gleich nach dem Haupteingang rechts)

Foto: Ch. Reimers

 

Der Ebershaldenfriedhof bietet zu jeder Jahreszeit einen schönen Anblick, aber besonders im Frühjahr und Herbst. Im Frühling findet man neben den Gartenblumen, mit denen die Gräber bepflanzt sind, eine Fülle wilder Blütenpflanzen.

 

Der Höhepunkt im Frühling aber ist die Magnolienblüte. Auf dem Friedhof gibt es mehrere Magnolien:

 

Blühende Magnolie auf dem Feld der jüdischen Gräber

Foto: Ch. Reimers

 

 

Scharbockskraut

Foto: Ch. Reimers

 

 

Blaustern

Foto: Ch. Reimers

 

 

Besonders an den Hängen der Terrassen unter der Friedhofskapelle wächst der seltene Lerchensporn (hier neben Buschwindröschen und Scharbockskraut).

Foto: Ch. Reimers

 

 

Veilchen

Foto: Ch. Reimers

 

 

Artenschutz auf dem Friedhof

 

Der Friedhof wandelte sich vom unheimlichen, ungesunden Leichenacker in die "grüne Lunge" der von Straßenverkehr und Industrie verpesteten Stadt. Friedhofsamt, -gärtner und –besucher können den ökologischen Wert des Ebershaldenfriedhofs noch beträchtlich steigern durch

  • Bepflanzung mit einheimischen Sträuchern und Bäumen,
  • extensive Pflege der Grünflächen (z. B. Blumenwiese statt Rasen),
  • Verwendung von umweltfreundlichen, verrottbaren Materialien bei Bestattung und Kranzschmuck,
  • Grabbepflanzung mit einheimischen Stauden und Blumen:  Immergrün, Margeriten, Malven, Karthäusernelken und Glockenblumen blühen auch sehr schön und bieten Nahrung für Bienen, Hummeln und Schmetterlinge.
  • Für heiße Sommertage fehlt den Vögeln außerdem eine gut erreichbare Trink- und Badegelegenheit. Zwar gibt es genügend Wasserbecken auf dem Friedhof, aber besonders für Kleinvögel ist das Wasser meistens nicht zu erreichen. Ein kleiner Teich mit flachen Ufern könnte Abhilfe schaffen. Einzelne kleine Vogelbäder findet man neben einigen Gräbern - wenn diese kleinen Wasserstellen regelmäßig befüllt würden, wäre das immerhin eine kleine Hilfe an heißen Tagen.

 

Der Ebershaldenfriedhof ist es wert, ökologisch erhalten und weiterentwickelt zu werden.

 

 

Wasserbehälter auf dem Ebershaldenfriedhof. Die Metallstreben zum Abstellen der Gießkannen sind als Landeplatz für durstige Vögel zu glatt und zu tief angebracht. Nur wenn der Wasserbehälter bis zum Rand voll ist, haben die Vögel eine Chance zum Trinken. Meistens sind die Behälter aber halb leer.

Foto: Ch. Reimers

 

 

Literatur:

H. Hanemann und J. M. Simon, Deutscher Bund für Vogelschutz e. V.  Die Chronik eines Naturschutzverbandes von 1899-1984, 1987, 25 und 21;

Eßlinger Zeitung vom 20. Juli 1921, 54. Jahrgang, Nr. 166, Auf dem Eßlinger Friedhofe;

Artikel Christa Reimers, Vögel auf dem Ebershaldenfriedhof;

Broschüre "Der Ebershaldenfriedhof in Esslingen am Neckar",
Reihe "Grünplanung und Natur in Esslingen am Neckar, Heft 2, 2/1995, S. 46 f.
Herausgeber: Stadt Esslingen am Neckar, Grünflächenamt