Vögel auf dem Ebershaldenfriedhof

Der Friedhof lebt!

 

In der Stadt gibt es kaum einen lebendigeren Platz als ausgerechnet den Friedhof, diesen Ort des Todes. In einer Untersuchung auf Berliner Friedhöfen wurde 1986 festgestellt, dass alte Friedhöfe jeden Park an Artenvielfalt übertreffen. "Ungepflegte", d. h. der Natur überlassene Areale an den Rändern erhöhen den ökologischen Wert noch. Das Rotkehlchen zum Beispiel ist auf Falllaub angewiesen, unter dem es reichlich Nahrung findet und das auch als Nistmaterial genutzt wird.

 

 

Rotkehlchen (Foto: NABU/Kathy Büscher)
Rotkehlchen (Foto: NABU/Kathy Büscher)

 

Vögel reagieren empfindlich auf Umweltschäden. Der ökologische Wert eines Lebensraums lässt sich deshalb an der Zahl der Vogelarten ablesen, die ihn nutzen. Die "rasche Abnahme unserer gefiederten Sänger in Wald und Flur" (Hanemann / Simon, S. 25) alarmierte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Naturfreunde und machte sie auf die "rücksichtslose Ausbeutung der Natur" (ebd., S. 21) aufmerksam. Die Naturschutzbewegung begann deshalb folgerichtig mit dem Vogelschutz. 1899 gründete Lina Hähnle in Stuttgart den Bund für Vogelschutz,  heute Naturschutzbund Deutschland (NABU). Die Vögel auf dem Friedhof wurden bald in die Vogelschutzbemühungen einbezogen.

 

Ein Porträt von Lina Hähnle finden Sie auf der Seite des NABU-Bundesverbands unter

https://www.nabu.de/wir-ueber-uns/organisation/geschichte/00347.html

 

 

In rund 35 Jahren beobachteten die Mitarbeiter der Esslinger NABU-Gruppe auf dem Ebershaldenfriedhof über 50 Vogelarten, für ein Areal von 8,2 ha mitten in der Stadt eine bemerkenswerte Zahl. Enthalten sind darin auch einmalige und seltene Beobachtungen. Dies gilt für folgende Arten: Grauspecht,  Kleinspecht, Trauerschnäpper, Waldlaubsänger und Wendehals.

 

 

 

Trauerschnäpper - seltener Gast auf dem Ebershaldenfriedhof. Es gab nur wenige Beobachtungen in der Zugzeit.

Foto :NABU / Tom Dove

 

 

 

Kleinspecht - der kleinste unserer Spechte ist extrem selten und vor allem in den Streuobstwiesen zu finden. Er wurde nur etwa drei Mal in dreißig Jahren auf dem Friedhof gesichtet.

Foto: NABU / Günter Stoller

 

Etwa 25 Arten brüten auf dem Friedhof bzw. haben dort mehrfach gebrütet: Amsel, Blaumeise, Buchfink, Buntspecht, Eichelhäher, Elster, Gartenbaumläufer,  Grauschnäpper, Grünling, Grünspecht, Heckenbraunelle, Kleiber, Kohlmeise, Mönchsgrasmücke, Rabenkrähe, Ringeltaube, Rotkehlchen, Sommergoldhähnchen, Star, Tannenmeise, Türkentaube, Wacholderdrossel, Zaunkönig und Zilpzalp.

 

 

 

 

Heckenbraunelle:

Der sehr heimliche Vogel brütet in Hecken und Gebüsch. Nur im März / April, wenn die Männchen singen, ist der Vogel überhaupt zu sehen.

 

Foto: NABU /: Axel Lange

 

 

 

Eine besondere Überraschung war 1996 die Brut einer Waldohreule, die zwei junge Eulen auf dem Friedhof aufzog.

 

 

 

Waldohreule (Altvogel)

Foto: NABU / Jörg Pietzsch

 

 

                   Junge Waldohreulen
                   Foto: NABU / Manfred Bartels

          

Weitere 4 Arten sind vermutlich ebenfalls Brutvögel: Gimpel, Girlitz, Kernbeißer, Singdrossel und Wintergoldhähnchen.

 

 

 

 

 

 

Gimpel-Männchen

Foto: NABU /Birgit Christophersen

 

 

 

 

 

 

 Kernbeißer

Foto: NABU / Nicole Bußmann

 

 

 

 

 

Girlitz: Der kleine gelbe Vogel mit dem klirrenden Gesang brütet am liebsten in Nadelgehölzen.

Foto: NABU / Christiane Bernitt

 

Wintergoldhähnchen:

Winter- und Sommergoldhähnchen sind die kleinsten einheimischen Vogelarten. Sie sind Bewohner hoher dichter Nadelgehölze. Der Verlust der vielen großen alten Fichten beim Sturm "Lothar" im ältesten, unteren Teil des Friedhofs traf sie besonders. Sie sind seitdem seltener zu beobachten.

Foto: NABU / Oscar Klose

 

 

 

 

 

 

Gartenbaumläufer

Foto: Günter Stoller

 

 

Feldsperling, Haussperling, Hausrotschwanz, Mauersegler,  Mäusebussard,  Rauchschwalbe, Schwanzmeise, Sperber, Stieglitz und Sumpfmeise nutzen den Friedhof als Nahrungsreservoir und Jagdgebiet, als Schlafplatz und als Rastplatz auf dem Zug. Zwischen dem Friedhof und den angrenzenden Hausgärten, dem Krankenhauspark und den Obstwiesen am Hainbach herrscht zudem ein reger "Pendelverkehr".

Bergfinken- und Erlenzeisig-Schwärme sind nur im Winter zu beobachten. Nur selten konnten wir einzelne Erlenzeisige im Frühling bei der Balz beobachten.

 

 

 

 

 

 

 

Sperber-Weibchen:

Für sie ist der Friedhof Jagdgebiet.

Foto: NABU / Michael Groß

 

 

 

 

 

 

 

 Erlenzeisig:

Hauptsächlich Wintergast.

Foto: NABU /Kathy Büscher

Sängerkrieg

 

Im Frühling ist es aus mit der Grabesruhe auf dem Ebershaldenfriedhof. Das Vogelkonzert in den frühen Morgenstunden hat nicht den Zweck, die Friedhofsbesucher zu erfreuen. Der Vogel, der sein Lied schmettert, versucht männliche Rivalen fernzuhalten und weibliche Artgenossen anzulocken. Darüber hinaus beansprucht er mit seinem Gesang das ihn umgebende Terrain als Brutrevier. Die Grenzen des Reviers – häufig markiert durch die Friedhofswege – werden in Gesangsduellen mit benachbarten Rivalen abgesteckt. Können die Nachbarn sich nicht einigen, fliegen die Federn. Auf streunende Katzen wird dann nicht immer geachtet, was gelegentlich fatale Folgen für einen der Heißsporne hat. Zum Glück liegt bei vielen Vogelarten das Verhältnis Männchen zu Weibchen bei Vier zu Eins. Der Friedhof ist ein begehrter Lebensraum, der dicht besiedelt und heiß umkämpft ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Singendes Amselmännchen

Foto:NABU / F. Hecker

Vogelkundliche Führung

 

Jedes Frühjahr (meistens Anfang April) bietet unsere Gruppe eine Führung für Anfänger in der Vogelbeobachtung an. Die Termine finden Sie im Terminkalender und in unserem Programm. Die Führung dauert etwa zwei bis drei Stunden. Falls Sie ein Fernglas haben, bringen Sie es bitte mit.

 

Bitte bedenken Sie, dass es morgens zu dieser Zeit noch empfindlich kalt ist und dass Sie sich beim Beobachten nicht viel bewegen. Ziehen Sie sich deshalb warm an. Manchmal kann man sogar noch Handschuhe gebrauchen. Wählen Sie auch eher gedeckte Farben, damit die Vögel nicht gleich Reißaus nehmen. Die Vögel auf dem Friedhof sind zwar nicht so scheu wie ihre Artgenossen in Feld und Flur, aber ganze Gruppen, die sie mit ihren Ferngläsern ins Visier nehmen, sind auch ihnen unheimlich.